Rückkehr der THO nach Europa

 

Zum Jahreswechsel 2003/2oo4 fragte mich Timm, der neue Eigner, ob ich nicht auf meinem ehemaligen Schiff bei der Überführung an seinen neuen Liegeplatz in Holland mitsegeln wollte.

Zuerst zögerte ich noch einige Zeit. Vor allem weil ich das Schiff ohne ihn mit mir fremder Crew, die er vom Internet hatte, skippern sollte. Ich fragte mich ob ich mir das antun sollte mit total fremden Leuten rund einen Monat auf engstem Raum zusammenzuleben. Ohne jede Möglichkeit auszusteigen oder jemanden rauszuwerfen. Außer natürlich ins Wasser. Ich habe da so im Laufe der Zeit viele Sachen gehört.

Als aber dann Sabine sich sehr dafür interessierte und auch den erforderlichen Urlaub bekam sagt ich zu. Denn sie ist Segellehrerin, kompetent und absolut zuverlässig. Als dritten Mann, wie im Film kam er auch aus Wien, hatten wir dann noch Claus unseren Özi dabei. Der hatte gerade seinen Doktor der Physik gemacht und kam von einer 6 monatigen Reise aus Südamerika zurück. Er war ein lieber und verträglicher Bordkamerad, auch mit etwas Segelerfahrung, aber mit den Händen halt so ungeschickt. Aber seine Sundowner, meist Caipirinhas, waren Spitze.

So trafen wir denn alle nacheinander schwer bepackt in Martinique ein. Zuerst Timm Lebenspartnerin Rieke und ich. Wir machten uns sofort daran das Schiff für die Atlantik Überquerung herzurichten und neue Segel vom Flughafen abzuholen. Dann kam Timm und wir bauten die Aries Windfahnensteuerung an .

Als dann Sabine und Claus auch noch kamen waren wir komplett und machten uns ans Bunkern von Diesel, Wasser und Lebensmittel. Und was halt noch alles so dazu gehört um einen, im Notfall einige Monate auszukommen.

Im Gegensatz zu meinen früheren Reisen waren wir überkomplett ausgerüstet. Auf Sicherheit legt Timm sehr großen Wert. Wir hatten Funkanlagen für UKW, Grenz- und Kurzwelle mit DSC-Controller die bei einem Notruf automatisch die aktuelle GPS-Position mit aussenden. Zwei GPS-Geräte, sogar 3 mit dem kleinen den Claus mit im Gepäck hatte. Ein Iridium-Handy mit dem man weltweit telefonieren und e-mailen kann. Zwei Laptops um Wetterkarten zu ziehen und elektronische Seekarten zu verwenden. Und natürlich Radar, Windmessanlage und jede Menge Programme für dies und das. Dazu natürlich noch einen Sextanten und zu den Rechnern auch noch die alten HO 249 Tafeln mit denen meine Generation damals auskam. Und die auch heute noch bei Stromausfall, und wenn die Amis wieder mal an ihren Satelliten fummeln, funktionieren. So hatten wir z.B. ein ganz tolles Tidenprogramm an Bord. Als wir es aber dann im englischen Kanal gebraucht hätten war das eine Laptop ausgefallen und auf dem anderen war das Programm nicht installiert so mussten wir halt doch nach den Tidentabellen rechnen.

Kurz lauter Sachen die ich nie hatte, mir nie leisten konnte und auch gar nicht wollte. Ich finde wenn man sich schon so anachronistisch mit Wind fortbewegt so sollte man sich das Schiff nicht mit Hi-tech Geräten voll stopfen. Man braucht ja doch sowieso noch die alte Technik als backup. Denn wie auch diese Reise bewies gehen diese doch eher als Spielzeuge gemachten Sachen schnell kaputt. Auf See herrschen halt nach wie vor raue Bedingungen. Wenn ich nicht noch gewusst hätte wie die Navigation von Hand geht und die Sachen dazu an Bord gewesen wären wäre ich schon nicht mit gesegelt.

Ich lästerte immer mein alter Dampfer sei nun eine Plattform für Elektronik-Spielzeug.

Ich wollte eigentlich erst gegen Mitte Mai starten, konnte mich aber gegen den Rest und deren Termine nicht durchsetzen. Denn dann sollte man bis England in höchstens einen Sturm kommen und auch nicht so weit nördlich segeln müssen. Wir hatten dann auch 3 Stürme mit je 45 - 5o KN Wind. Den letzten allerdings erst als wir England verließen. Die alten Regeln gelten also immer noch. Auch stimmt die alte Faustformel für Fahrtenyacht dass man mit einem Etmal von 100 SM kalkulieren soll immer noch. Dann sind Flauten und Stürme bei denen man beidrehen muss gleich mit einkalkuliert.

So sind wir halt am 8. Mai gestartet und mussten bei NO Wind sehr weit nach Norden segeln ohne Ost machen zu können. Erst nach 9 Tagen konnten wir dann abbiegen und auf Kurs gehen. Diese 9 Tage waren sehr anstrengend. Bei meist 20-25 KN Wind waren halt die Schiffsbewegungen doch sehr hart und das Leben durch die Schräglage mühsam.

Andere Yachten, die nach uns starteten, konnte gleich auf Kurs gehen und waren bis zu 10 Tagen schneller wie wir. Die hatten aber alle viel schlechteres Wetter mit viel Regen während wir meist schönes hatten. Zu meinem Glück. Denn ich hatte an, das Segeln in den Tropen gewöhnt, viel zu leichte Kleidung dabei. So habe ich so in etwa ab der halben Strecke nach den Azoren nur noch gefroren. Die Wassertemperatur ging dann auch vor dem Kanal bis auf 13 Grad herunter. Das ist sehr sehr kalt wenn man bei 28 Grad gestartet ist. Anders herum wäre es schöner gewesen.

Wir haben fleißig gefischt haben aber nur 4 Möwen, unseren Windgenerator und unsere Schiffsschraube eingefangen. Der einzige Fisch sprang pünktlich am Vorabend von Sabines Geburtstag an Bord. Es war der größte fliegende Fisch den ich je sah und er sprang Sabine abends beim Sundowner direkt in den Schoss. Das war Neptuns Geburtstagsgeschenk an sie.

Das Meer dort ist sehr leer und man sieht auch kaum mehr Müll herumschwimmen. Wir sahen selten mal mehr als ein Schiff am Tag und oft 3 Tage lang gar keines. Und das nicht etwa weil wir nicht Ausguck hielten. Zu dritt und nur 2 Stunden Wache war das ja kein Problem und man kam trotzdem zu genügend Schlaf.

Für mich war das etwas ganz neues denn auf allen meinen größeren Reisen war ich nur zu zweit. Auch dass man reffen oder einen Segelwechsel nur anzuordnen und nicht selbst zu machen hatte war für mich neu.

Schildkröten sahen wir viele, Wale nie und Delphine selten. Aber auf die Azoren zu sehr viele Segelquallen.

Fünf Tage vor den Azoren sahen wir eine Segelyacht die uns anfunkte. Es war ein Bayer der ein Jahr in der Karibik verbrachte und auf dem Rückweg war. Er war ziemlich down. Sein Schiff lief vor lauter Bewuchs sehr langsam und sein Diesel war fast aus. So übergaben wir ihm einen Kanister mit 25 Litern den wir an Deck hatten und einige Weinflaschen. Da wir immer segelten haben wir nur rund 100 Liter bis nach Holland verbraucht. Dies meist zum Batterien laden und wenn es mal in Flauten zu sehr schaukelte. Wenn man da sieht wie die meisten Yachten starten, die ganze Reling voll Dieselkanister, so frage ich mich immer warum solche Leute sich nicht gleich eine Motoryacht kaufen. Diese gibt es ja auch schon ab 14 Meter mit entsprechender Tankkapazität.

Auf den Azoren kam zu der Zeit gerade ein Geschwader von rund 25 Stück an. Es waren meist Nordhavens und die Werft hatte auch ein Begleitfahrzeug organisiert.

Timm hatte sich noch einen neuen Blister aus Hongkong schicken lassen, weil er hier in Europa nie mehr so billig dazu kommen würde. Lee-Sails hat in Martinique keinen Vertreter deshalb liefern sie dahin ohne dass man die sonst sehr hohen Provisionen zu bezahlen hat.

Der hatte rund 12o qm Fläche und hat uns sehr viel genutzt. Von der Fläche her ist das mehr als Sabines und meine Wohnung zusammen. Dazu musste unser Ötzi mitten auf dem Atlantik in den Mast um ein Spinnakerfall zu improvisieren. Den Blister hatten wir bis zu 3 Tagen am Stück gefahren. Manchmal aber auch nur für kurze Zeit denn bei mehr als 15 Kn Wind haben wir ihn geborgen. In den Farben war er wunderschön. Einige Tage war der Wind so schwach dass wir zusätzlich dazu noch die größte Genua ausgebaumt fuhren. Da kamen wir dann bei 5 Kn Wind doch noch auf 3 Kn Fahrt. Das hat dann allerdings unsere Aries nicht mehr geschafft aber der elektrische Autohelm schon.

So kamen wir nach 28 Tagen nachts in Horta an. Dies ist der Hafen der Insel Fajal. Wir sind bis vor die Hafenmole gesegelt und haben dann geankert und die letzten Biervorräte vernichtet. Die Formalitäten des Einklarierens in Portugal sind noch genau so umständlich wie bei meinem letzten Besuch vor 16 Jahren. Nach den ersten Schritten an Land hatten Sabine und ich Muskelkater.

Nicht so unser Ötzi. Der fuhr schon nach 2 Tagen zur Nachbarinsel und bestieg den Pico, den höchsten Berg Portugals. Wenn man von Meereshöhe startet sind 2500 m ganz schön viel.

Dann kam Stefan, Sabines Freund und wir haben einen Motorroller gemietet und die Insel angeschaut. Am hübschesten waren die Hortensienhecken die alle Strassen säumten. Ansonsten haben mich die Azoren nicht so begeistert. Es ist mir zu kühl und oft trübe und regnerisch. Und natürlich mussten wir uns auch noch künstlerisch betätigen und ein Bild auf die Hafenmole malen. Darauf legte Timm höchsten Wert.

Um möglichst viel kennen zu lernen ehe die Reise weiterging segelten wir dann bald zu der Insel Terceira weiter. Dabei hat Stefan die Seekrankheit so erwischt wie ich es noch nie bei jemanden erlebt habe. Er flog dann auch von dort aus wieder zurück nicht wie vorgesehen von Sao Miguel aus.

So segelten wir allein dorthin um Timm aufzunehmen und das Schiff neu zu verproviantieren.

Der brachte auch einen elektronischen Kompass mit der in das Silva Anzeige System passt. Obwohl wir nach der Installation endlose Kreise durch den Hafen von Ponta Delgado zur automatischen Kompensierung drehten zeigte das Ding immer die Anzeige Fehler. Als er dann zuhause dem Importeur zurückgeschickt wurde stellte sich heraus dass er noch gar nie funktioniert hatte. Das zur vorne erwähnten Qualität der Elektronikspielzeuge.

Wir starteten dann zur nächsten Etappe der Reise, nach Guernsey. Es war ein zwar kaltes aber ruhiges segeln. Zumindest bis in die Nähe des Ärmelkanals, dann gab es doch sehr viel Schiffsverkehr. Es zogen zwar einige Fronten durch die Gegend aber nie in unserer Nähe. Bis sie uns am allerletzten Tag entdeckten. In der Nacht, bei klarem Wetter kam aus dem Nichts eine Bö mit über 40 Kn Wind. Die See war noch glatt und der Wind von achtern. So kamen wir wahrscheinlich auf eine Rekordgeschwindigkeit bis wir die Segelfläche verkleinert hatten.

Da der Wetterbericht nicht gut war änderten wir unser Ziel und liefen direkt nach Weymouth in England. Bei Sturm wollten wir nicht zwischen den Kanalinseln mit den irren Strömungen und dem Tidenhub von 8 Metern rumkurven.

Wir wurden so noch genügend durcheinander geschüttelt, vor allem in der Nähe der Races von Portland Bill. Aber abends waren wir dann sicher und ohne Schäden im Stadthafen in Weymouth fest.

Für mich war dies der erste Aufenthalt in England. Ich hatte bis dahin schon 31 Länder mit dieser Yacht besucht, aber dies war für mich das fremdartigste. Ich weiß heute noch nicht ob es mir gefiel oder nicht. Aber die Menschen fand ich sehr nett.

Nach 3 Tagen segelten wir dann weiter in den Solent um Rieke in Cowes zu treffen. Das war sehr interessant mit den starken Strömungen und den vielen Yachten und Marinas an jedem Eck. In dem Segler Mekka Cowes wollte sich bei mir nicht die richtige Ehrfurcht einstellen. Waren allerdings nur einige Stunden dort.

Ab dort war es ein schönes segeln bis kurz vor Dover da kam der nächste Sturm. Obwohl wir kaum noch 3 SM in den Hafen hatten haben wir es nicht mehr geschafft gegen den Oststurm anzukommen. Mit Maschinenunterstützung war auch nicht viel weil bei höheren Drehzahlen das Getriebe rutschte. Ötzis Crash-Schaltung bei Flaute in den Rückwärtsgang statt Leerlauf gab ihm wohl den Rest.

Da an ein beidrehen in dem starkbefahrenen Gebiet nicht zu denken war mussten wir halt wieder zurücksegeln. Der Erfolg von fast einem Tag aufkreuzen wurde so in wenigen Stunden zunichte.

Aber am nächsten Morgen hatten wir Dover achteraus und hielten Kurs auf Holland. Natürlich unter Berücksichtigung der Verkehrstrennungsgebiete.

Die Fahrt verlief ruhig und ereignislos. Viele Schiffe und später dann einige Bohrinseln. Kurz vor Dunkelheit waren wir vor Den Helder und liefen unter Radar durch das Fahrwasser vor dem Damm zur Östlichen Schleuse weil man dort über Nacht liegen konnte.

Am anderen Morgen dann ging es durch die Schleuse ins Ijsselmeer und gleich um die Ecke nach Makkum.

Wir hissten alle 32 Flaggen der Länder die das Schiff gesehen hatte. Rieke hatte alle die nicht mehr an Bord waren genäht. Nachdem es das defekte Getriebe dank gefühlvoller Gasdosierung gerade noch geschafft hatte legten wir am neuen Liegeplatz an. Begrüßt wurden wir von Timms Freunden mit Musik und Sekt. Abends war per Zufall auch noch großes Hafenfest und so folgte der totale Absturz.

Die Marina ist sehr schön und ziemlich groß. Die THO CHICA VERDE ragt darin heraus wie ein verbundener Daumen.

All die anderen Schiffe sind aus uniformem Plastik, alle z.Z. der Börsenhausse gekauft, und kaum gesegelt worden. Und sie dazwischen, der man durchaus ansieht dass sie rund 75000 SM auf dem Buckel hat. Und oberhalb der Scheuerleiste gesandstrahlt gehört.